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Was ist Deaf Space?

Die Welt wurde für Hörende gebaut - Architekten beschäftigten sich in der Vergangenheit kaum mit der Zugänglichkeit der Welt für Menschen mit Behinderung. Insbesondere Hörbehinderte traten bei ihrer Ideenentwicklung und bei der Fertigstellung ihrer Konzepte in den Hintergrund, denn Gehörlosigkeit ist nicht sichtbar. Der amerikanische Architekt Hansel Baumann entwickelte 2005 in Zusammenarbeit mit der Gallaudet Universität in Washington D.C. «DeafSpace».

«DeafSpace» wird als eine Mustersprache angesehen. Dies ist eine Idee, die sich über die Jahre hinweg verstärkt hat. Mit der Mustersprache ist eine Sammlung von Entwürfen bzw. bewährte Verfahren zur Lösung typischer Probleme, gemeint. Über Jahre hinweg erhielten hörbehinderte Menschen Dokumente mit Anregungen, wie sie ihr Zuhause oder ihren Arbeitsplatz an ihre Bedürfnisse anpassen könnten, um Kommunikationsbarrieren zu verringern. Diese Bemühungen erhielten einen neuen Schwung, als sich im Jahr 2005 eine Gruppe von hörbehinderten Wissenschaftlern, Studenten und Administratoren für einen zweitägigen Workshop an der Gallaudet Universität versammelten, mit dem Ziel, Design-Prinzipien zu kreieren, die für das neue Sorenson Sprach- und Kommunikationscenter gelten sollten. Das Sprach- und Kommunikationscenter sollte auf dem Campus der Gallaudet Universität gebaut werden. Die Gestaltungskonzepte, die zu Papier gebracht wurden, wurden in das Dokument «A Case for SLCC Aesthetic Principles» überschrieben, um Architekten mit über sechzig DeafSpace architektonischen Gestaltungselementen zu versorgen.

Die Teilnehmer des Workshops stellten sich einen Raum vor, der die Bedeutung der Beziehung aufdeckt, die hörbehinderte Menschen zueinander haben. Einen Raum, der durch sein Erscheinungsbild die Kultur und Geschichte der Gebärdensprachgemeinschaft ausdrückt. Die Teilnehmer des Workshops überlegten sich feste Standards zu entwickeln, die nicht nur für das Sorenson Sprach- und Kommunikationscenter gelten sollten. Die Standards sollten auf der allgemeinen Weisheit der hörbehinderten Menschen beruhen. Denn die Betroffenen kennen ihre Belange am besten.

Im Jahr 2006 wurde das DeafSpace-Projekt durch die Teinehmer des Workshops ins Leben berufen. Es handelte sich dabei um ein dreijähriges Design- und Forschungsprojekt, das von dem ASL und Deaf Studies Departement angeboten wurde. Die Aktivitäten des DeafSpace-Projektes ergaben unter der Leitung von Hansel Baumann, 150 architektonische Elemente, die im «Gallaudet DeafSpace Design Guide» festgehalten wurden und die Anpassung des hörenden Raumes an die Bedürfnisse der Hörbehinderten zum Ziel haben.
Die Elemente wurden in folgende Kategorien unterteilt: Raum und Nähe, Sensorische Reichweite, Mobilität und Nähe, Licht und Farbe sowie Akustik und beruhen auf gemeinsamen Ideen: Dem Aufbau einer Gemeinschaft, der Berücksichtigung der visuellen Sprache, der Schaffung von Wohlbefinden und der Förderung der persönlichen Sicherheit.

Architektonische Muster zur Erleichterung der Kommunikation

Basierend auf der Notwendigkeit einer nachhaltigen Kommunikation zwischen zwei Gesprächspartnern oder mehreren, müssen die grundlegenden Gebäudeplanungsannahmen zurückgestellt und neue räumliche Maße gefunden werden. Es soll eine klare und fortlaufende Kommunikation gewährleistet werden können. Und zwar unabhängig davon, ob die Beteiligten sitzen, stehen oder zusammen gehen.

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Für den Gebärdensprachraum der Hände und für die Distanz zwischen den Gebärdenden, wird eine größere Fläche benötigt als bei Menschen, die lautsprachlich kommunizieren. Daher sind Klassenräume mit Gebärdensprachlern meistens mit einer Tischanordnung in flacher U-Form ausgestattet. Diese soll den Sichtkontakt zu allen Klassenkameraden sowie zum Lehrenden in ausreichender Distanz ermöglichen. Die Tische und Stühle in visuellen Klassenräume sind näher an der Lehrtafel positioniert als jene der Nicht-Gebärdensprachler. Außerdem befinden sich doppelt so viele Stühle bzw. Mitschüler im Klassenraum.

Wird ein Stuhlkreis gebildet, verstellen die Teilnehmer oftmals die Jalousien und die Beleuchtung und ordnen das Mobiliar passend an. Das Ziel ist, die visuelle Kommunikation zu optimieren und eine Ermüdung der Augen zu reduzieren. Optimale Lichteinstellungen sowie kontrastierende Flächen sind zwei DeafSpace-Elemente, die oftmals parallel verwendet werden, um einen optisch ruhigen Hintergrund für die Anwendung der Gebärdensprache zu schaffen.

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Diffuses Licht ist ideal, um Gebärdensprache zu erkennen. Blendendes Licht und Gesichtschatten schränken die Kommunikation hingegen ein und können zur Ermüdung der Augen, zur Konzentrationslosigkeit und letztendlich zur totalen körperlichen Erschöpfung führen. Daher sollten Räume so gestaltet werden, dass mehrere Lichtquellen zur Verfügung stehen.

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Es geht darum, den Kontrast zwischen den hellen und dunklen Bereichen zu minimieren. Eine sogenannte visuelle Klarheit kann ebenso durch den farblichen Kontrast zwischen dem Gebärdenden und seiner Umgebung geschaffen werden. Gebäude und Räume sollten daher im Kontrast zum gesamten Spektrum der menschlichen Hautfarben stehen und komplementär zu ihnen sein. Der Hautton wird durch die Farbwahl verstärkt. Die Mimik ist nun besser zu erkennen und das Ablesen einfacher geworden.

Architektonische Muster zur Erleichterung der kognitiven Wahrnehmung

Hörbehinderte können keine akustischen Signale, die hinter ihrem Rücken geschehen, wahrnehmen. Daher haben sie visuelle und taktile Strategien entwickelt, um diese Lücke zu kompensieren. Durch Anwendung der Strategien können sie ihren sensorischen Bereich auf 360 Grad erweitern.

Zur weiteren Unterstützung sind architektonische Elemente, die die räumliche Orientierung und die Wahrnehmung der Umgebung vereinfachen, wichtig. Diese Elemente tragen außerdem zur persönlichen Sicherheit und zum Wohlbefinden des Einzelnen bei. Eine Vielzahl der architektonischen Elemente entsteht aus den multisensorischen Wegen, über jene die Hörbehinderten die Aktivitäten der anderen lesen, um ihr persönliches Sicherheitsgefühl zu bewahren.

Die Einrichtung von gläsernen Raumecken oder die Abrundung dieser, sind zwei architektonische Elemente, die verwendet werden, um den sensorischen Bereich des Einzelnen zu erweitern. Das Glas kann klar aber auch milchig sein. Es sollte zumindest eine Bewegung erkennbar sein, sodass Menschen, die sich auf der anderen Seite der Raumecke befinden, frühzeitig wahrgenommen werden können.

Hörbehinderte Hausbesitzer entscheiden sich oft dafür, Löcher in Wände zu schneiden und Spiegel und Lichtquellen an bestimmte Stellen des Raumes zu platzieren, um ihre sensorische Wahrnehmung zu erweitern und, um eine größere visuelle Bindung zwischen den einzelnen Familienmitgliedern zu schaffen. Dies kann auch durch Teilwände geschehen. Es handelt sich dabei um Wände, die vom Boden aus nicht ganz bis zur Decke reichen. Zur Vereinfachung – Stellen Sie sich dazu ein Ikea-Regal vor, das als Raumtrenner verwendet wird. Statt Teilwände, können auch Baustoffe wie getrübtes Glas verwendet werden. Dadurch können Räume geschaffen werden, die Privatsphäre ermöglichen aber trotzdem eine gewisse Offenheit bieten.

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Hörende Menschen fühlen sich im Gegensatz zu Hörbehinderten in einem geschlossenen Raum, der ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, am wohlsten. Für hörbehinderte Menschen hingegen muss der Architekt einen visuellen Zugang schaffen, das heißt er muss die Menge der Wände reduzieren und stattdessen kreative Alternativen entwickeln, wie zum Beispiel eine Treppe ohne Wände und Trennungen. Eine ununterbrochene Kommunikation wird dadurch erleichtert.

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Andere DeafSpace-Elemente wie z. B. die Lage der Gebäudeeingänge oder die Einsicht ins Gebäude, ermöglichen eine schnelle Orientierung bei der Ankunft hörbehinderter Menschen vor Ort. Die Einsicht in das Gebäude bzw. der Blick auf das Innenleben des Gebäudes, vermittelt den Menschen die primäre Funktion des Gebäudes. Menschen, die innerhalb des Gebäudes Gymnastikübungen vollziehen, lassen z. B. darauf schließen, dass es sich bei diesem Gebäude um ein Sport- und Gesundheitscenter handelt. Außerdem verrät der Einblick ins Gebäude, wie die Räume angeordnet sind. Dadurch wird Außenstehenden der Weg zu ihrem Zielraum erleichtert.

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Die Anordnung der Gebäudeeingängen kann z. B. so gestaltet werden, dass diese sich um einen zentralen Platz im Freien ansammeln. Steht ein Außenstehender auf diesem Platz, kann er sofort erkennen, wo sich die einzelnen Eingänge befinden und entscheiden wohin er gehen möchte. Das Bild zur Anordnung der Eingänge ist dem «Gallaudet DeafSpace Design Guide» nachgebildet worden und wurde von Hansel Baumann zusammengestellt.

Architektonische Muster und die kulturelle Sensibilität

Die Idee zum DeafSpace-Element «Verbindung von Innenräumen», wurde aus der Stuhlkreisanordnung abgeleitet. Innerhalb eines Stuhlkreises ist eine Kommunikation mit Sichtkontakt möglich. Daher entstand die Idee, Innenräume um einen freien Platz herum zu bauen. Die aus den Räumen tretenden Menschen sollen dazu animiert werden, mit den anderen Menschen zu denen sie Sichtkontakt hergestellt haben, zu interagieren. Die Welt der Hörbehinderten ist kollektivistisch und wird durch das architektonische Element passend wiedergespiegelt.

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Das architektonische Element «Fußgängerweg für Hörbehinderte» schafft den Gebärdensprachnutzern aufgrund seiner Breite, ausreichend Platz, um nebeneinander herzulaufen – ohne Stolpersteine wie z. B. senkrecht im Boden befestigte Pfähle oder Laternen beachten zu müssen. Die strukturierten Kanten am Rande des Gehweges halten die Gebärdenden auf ihrer Bahn. Bislang übernahm eine dritte Person diese Rolle bzw. einer aus der Gruppe konzentrierte sich auf den Fußweg und hielt Ausschau nach Hindernissen, um die anderen Gruppenmitglieder vorzuwarnen. Dies ist nun nicht mehr notwendig. Die Architekten Hansel Baumann und Benjamin Bahan beschrieben daher die Rolle, die das DeafSpace-Element innerhalb der Welt der Hörbehinderten einnimmt, als «Dritte Person».

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Wenn sich Hörbehinderte in einem geschlossenen Raum befinden, bemerken sie oftmals die Annäherung eines Besuchers nicht und sind sehr erschrocken darüber, wenn diese Person plötzlich in ihrem persönlichen Bereich steht. Das architektonische Element «Sensorische Schwelle» berücksichtigt die Privatsphäre der Hörbehinderten, indem es eine Mauer zwischen den Räumen erschafft. Denn es genügen lediglich Hinweise auf Bewegungen, die durch sich annähernde Personen verursacht werden, um größeres Erschrecken zu vermeiden. Bewegende Schatten können durch hohe Fenster an seitlich anliegenden Wänden oder durch Milchglas hindurch gesehen werden. Hölzerner Boden verursacht Vibrationen und kann auch als Hinweis auf Besucher dienen.

DeafGain im Zusammenhang mit DeafSpace:

Aus dem angeborenen Wunsch von Menschen mit Hörbehinderung nach ununterbrochener zwischenmenschlicher und räumlicher Verbindung wurden die DeafSpace-Elemente abgeleitet. In dem Sinne spiegeln die Elemente die Welt der Hörbehinderten wieder.
«Die kulturelle Identität und Stärke weisen eine Verbindung zur Architektur auf. Weiterhin wird unser individueller und kollektiver Sinn vom Wohlbefinden in vielen Fällen durch den Raum definiert, in dem wir wohnen. Durch die Architektur sind wir mit der Welt verbunden», so Hansel Baumann.

In der Vergangenheit blieb das Potenzial der Architektur als Mittel für den kulturellen Ausdruck für die hörbehinderten Menschen unentdeckt. Viele Hörbehinderte besitzen ein architektonisches Bewusstsein und eine Sensibilität für die Verbindung von Raum und Mensch. Diese Begabung wird durch tägliche Erfahrungen der Isolation und physische Barrieren bei der Kommunikation und Orientierung erworben. Das ist der DeafGain bezüglich der Architektur. Hörbehinderte Menschen können eine führende Rolle dabei einnehmen, lebenswerte Räume für die Gesellschaft zu erschaffen.

Denn die auf Hörbehinderte ausgerichtete Architektur erschafft eine nachhaltige und lebenswerte Welt für jeden Menschen. Winston Churchill sagte einst: «Wir gestalten unsere Räume und danach gestalten die Räume uns.» Werden lebenswerte Räume gestaltet, tragen sie folglich zum Wohlbefinden eines jeden Einzelnen bei.

Hörbehindertengerechte Architektur in Deutschland

Jeder Zweite ab 70 Jahren ist in Deutschland hörbehindert. Im Alter von 60-69 Jahren ist jede dritte Person betroffen. Ab dem Alter von 50 Jahren, jeder Vierte. Daraus resultiert die Notwendigkeit eines hörbehindertengerechten Bauens. «Hörbehinderte hören schlecht, nicht nur leise sondern anders», so Carsten Ruhe, beratender Ingenieur für Akustik VBI. Auf dieser Basis ergeben sich folgende Anforderungen an das hörbehindertengerechte Bauen in Deutschland.

Lärmminderung durch Schallschutz

Da Hörbehinderte unbewusst lauter leben, müssen Störgeräusche, die die Verständigung beeinträchtigen minimiert werden. Dies kann z. B. durch die Verlegung eines Teppichs bewirkt werden. Störgeräusche wie z. B. laute Schritte, die durch das Auftreten auf hartem Bodenmaterial wie Holz entstehen, können dadurch verringert werden.

Gewährleistung einer auf Hörbehinderte abgestimmten Raumakustik

Diese kann durch eine Schallpegelsenkung im Raum oder eine Verringerung des Diffusschalls durch geringen Nachhall erreicht werden. Durch die mit der Innenohr-Schwerhörigkeit (Schallempfindungs-Schwerhörigkeit) schlechtere zeitliche Auflösung aufeinanderfolgender Schallsignale, sind Störgeräusche durch Dritte und der von der Sprache erzeugte Nachhall störend. Schallabsorptionsmaterialien an der Decke sowie an zwei senkrecht zueinanderstehenden Wänden, verkürzen die Nachhallzeit. Das Schallabsorptionsmaterial an den Wänden sollte sich auf der Mund- und Ohrebene der Sprecher im Raum befinden. Zudem ist es hilfreich offene Schränke zu verwenden, da sie den Schall absorbieren und eher diffus streuend wirken. Alternativ können perforierte Schrankfronten mit einliegendem Schallabsorptionsmaterial verwendet werden.

Technische Zusatzausstattungen

Eine elektroakustische Unterstützung ist für die Alarmierung, Information und Kommunikation unabdingbar. Bei Alarm, muss eine optische Signalisierung in allen Räumen, in denen sich eine hörbehinderte Person aufhält, erfolgen. Zur Information darüber, dass jemand sich räumlich annähert, sollten die sich annähernden Personen u. a. durch die transparente Verglasung einer Raumtür für den hörbehinderten Menschen sichtbar werden, bevor sie den Raum betreten. Zur Unterstützung der Kommunikation können Blitzlampen den Eingang eines Anrufes oder eines Telefax optisch signalisieren. Induktive Höranlagen, Gebärden- oder Schriftdolmetscher sind bei Besprechungen in größerer Runde hinzuzuziehen, um die Teilhabe des Hörbehinderten am Gespräch gewährleiten zu können.

Berücksichtigung des Zwei-Sinne-Prinzips

Durch das Zwei-Sinne-Prinzip, wird der Sehsinn unterstützt z. B. beim Notsignal im Aufzug. Zusätzlich zur Wechselsprechanlage sollen Blinkanzeigen «Bitte Sprechen» und «Hilfe kommt» eingerichtet werden. Ähnlich wie beim Fahrstuhl, soll dies auch für die Gegensprechanlage eingerichtet werden. Sodass ein Hörbehinderter weiß, wann er in die Gegensprechanlage hineinsprechen kann, nachdem jemand an der Haustür geklingelt hat. Alle Alarm-, Warn- und Notsignale bei Gefahr für Leib und Leben z. B. Rauchmelder, müssen auf Grundlage des Zwei-Sinne-Prinzip ausgestattet werden. Neben dem telefonischen Notruf wurden ein Notruf-Telefax sowie eine Notruf-App entwickelt.

Darüber hinaus ist eine hörbehindertengerechte Beleuchtung zu berücksichtigen. Diese soll den Sprecher insoweit sichtbar machen, dass die Mimik und das Mundbild erkannt werden können. Durch eine hörbehindertengerechte Möblierung sollen gute Sichtbeziehungen und eine optische Orientierung hergestellt werden.

Hörbehindertengerechte Architektur in der Schweiz

Um hörbehinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilnahme am Leben zu ermöglichen, wurden folgende 6 Grundanforderungen an hörbehindertengerechte Bauten und Anlagen in der Schweiz entwickelt.

Einfache erfassbare räumliche Gliederung

Da Hörbehinderte in manchen Fällen in der räumlichen Orientierung beeinträchtigt sind, unterstützt eine einfache erfassbare räumliche Gliederung die Orientierung und Sicherheit dieser Menschengruppe. Der Sichtkontakt aus den vorderen und hinteren Reihen zum Vortragenden, muss in einem Veranstaltungsraum gewährleistet sein. So können die Mimik, Gestik und Gebärden erfasst werden. Die Projektion des Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschers soll so positioniert werden, dass die referierende Person, der Dolmetscher und die Projektion im Blickfeld sind.

Das «Zwei-Sinne-Prinzip»

Was Hörbehinderte mit ihrem Gehör nicht erfassen können, wird über das Seh- oder Tastvermögen aufgenommen. Durch das Zwei-Sinne-Prinzip werden akustische Informationen visualisiert. Die visuelle Informationsübermittlung kann über Displays, Projektore, Monitore, optische Signale wie z. B. Blitz- und Blinklichtsignale, Beschilderungen wie z. B. Piktogramme, die Schrift, das Absehen vom Mundbild, die Mimik, Gestik, die Gebärden und durch das Schriftdolmetschen über Monitore und Untertitelung erfolgen.

Gute Lichtverhältnisse

Hörbehinderte Menschen sind auf das Absehen angewiesen. Daher sollen Schlagschatten im Gesicht oder Blendungen möglichst vermieden werden. Die Lichtverteilung im Raum wird durch helle Raumoberflächen verbessert. Schlagschatten im Gesicht und Relativblendungen können dadurch vermieden werden. Matte Raumoberflächen verhindern eine Direktblendung durch die Beleuchtung. Werden die Räume abgedunkelt und Gebärdensprachdolmetscher benötig, ist die Eirichtung einer punktuellen Beleuchtung sinnvoll. Mimik, Gestik und Gebärden müssen für die hörbehinderten Menschen sichtbar werden.

Gute raumakustische Verhältnisse

Um ein gutes Verständnis für Sprache herzustellen, ist eine kurze Nachhallzeit, frühe Schallreflexionen, die Vermeidung später Reflexionen und die Verringerung von Störgeräuschen im Raum notwendig. Die Raumform, die Wahl und Anordnung von schallabsorbierenden und schallreflektierenden Materialien und der Gesamtstörschalldruckpegel haben einen Einfluss auf die zuvor genannten Anforderungen für ein gutes Sprachverständnis. Die Sprachverständlichkeit ist messbar und wird mittels des STI-Wertes beurteilt. Bei Räumen, die auf sprachliche Kommunikation ausgerichtet sind, werden STI-Werte um 0,70 empfohlen.

Beschallungsanlagen

Die Sprachverständlichkeit ist mit einer Beschallungsanlage (Lautsprecheranlage) dort sicherzustellen, wo eine gute Sprachverständlichkeit nicht gewährleistet werden kann. Allerdings können Beschallungsanlagen vorhandene Mängel in der Raumakustik nicht oder nur zum Teil ausgleichen.

Höranlagen für Hörgeräte- und Cochlea-Implantat-Tragende

Das Sprachsignal soll ohne Hall, Stör- und Nebengeräusche auf das Hörgerät oder Implantat des hörbehinderten Menschens übertragen werden. Bei den Höranlagen wird zwischen der Induktiven Übertragung (T), der Infrarot- Übertragung (IR) und der Funk- Übertragung (FM) unterschieden.

Gebäude, die auf Grundlage der architektonischen DeafSpace Elementen gebaut wurden

Die zwei bahnbrechenden Projekte an der Gallauded Universität, die bereits einige architektonischen DeafSpace-Elemente einbeziehen, waren der Bau des Sorenson Sprach- und Kommunikationscenters (SLCC), das im Jahr 2008 fertiggestellt wurde und der Bau des Studentenwohnheims Nummer 6 (LLRH6), welches im Jahr 2012 fertiggestellt wurde. Das Studentenwohnheim baute auf den Erfahrungswerten, die durch den Bau des Sorenson Sprach- und Kommunikationscenters gewonnen wurden, auf, sodass die DeafSpace – Elemente, die im Deafspace-Workshop im Jahr 2005 identifiziert wurden, bei dem zweiten Bauprojekt besser berücksichtigt und umgesetzt werden konnten.

Das Sorenson Sprach- und Kommunikationscenter (SLCC)

Das Gebäude verwirklicht nicht das volle funktionale und ästhetische Potenzial der Hörbehindertenarchitektur. Es repräsentiert unterschiedliche DeafSpace-Elemente wie z. B. Gleitende Haustüren, Gläserne Aufzüge, Raum für Gesprächsrunden, hohe Fenster, eine hufeisenförmige Bank im Herzen des Foyers und die Möglichkeit vom Foyer aus zu sehen, wann andere Hörbehinderte die Treppe hochgehen, um in die zweite und dritte Etage zu gelangen. Die Anordnung der Arbeitsräume, die Auswahl des Endmaterials und die Farbauswahl sind u. a. nicht hörbehindertengerecht. Diese Mängel sind ein Ergebnis einer traditionellen «Design-Gebot-Bau-Methode».

Der Architekt wird nach seinen Kosten und Qualifikationen ausgewählt und der Bauherr basierend auf seinen Qualifikationen und seinem Angebot zu den Baukosten, welches nach der Fertigstellung des Entwurfes abgegeben wird. Da jede Partei seine Interessen durchsetzen möchte, trüben der Zeitdruck, Kostendruck und die rechtlichen Bedenken oftmals den Blick für ein hörbehindertengerechtes Design. Eine produktive Zusammenarbeit wird dadurch behindert.

Eine frühzeitige und nachhaltige Zusammenarbeit zwischen dem Eigentümer des Gebäudes, dem Architekten und Bauherren ist grundlegend für die «kollektive Methode». Dadurch haben die drei Parteien die Gelegenheit eine Beziehung basierend auf Vertrauen sowie einer gemeinsamen Vision bezüglich des Projektes, aufzubauen. Unter diesen Bedingungen ist es möglich architektonischen Lösungen, die das Wohlbefinden der Hörbehinderten fokussieren, eine größere Aufmerksamkeit zu geben.

Über eine «Design-Bau-Wettbewerbs- Methode», wurden die Architekten und der Bauherr für dieses Projekt ausgewählt. Sie bekamen sechs Wochen Zeit, um einen Entwurf zu erstellen und abzugeben. Dieser Wettbewerbsprozess erlaubte es, Beziehungen zwischen den hörbehinderten Stakeholdern und den vier konkurrierenden Teams aufzubauen und zu testen.

Das LLRH6 Studentenwohnheim

Das 5 – stöckige LLRH6 wurde auf dem Campus der Gallaudet Universität gebaut, beinhaltet 46 Suites und 5 Apartments. Jede Suite verfügt über 2 Doppelzimmer mit eigenem Bad. 164 Bewohner finden hier Platz. Das Gebäude wurde als ein «Zuhause – weg von Zuhause» betrachtet. Die Studenten sollten sich wohl fühlen. Ein großer Wunsch war es, einen Raum so einzurichten, dass größere als auch kleinere Gruppen angenehme Gespräche in dem Raum durchführen können. Ein Raum des Wohnheims bietet klare Sichtlinien für eine angenehme Kommunikation. Der Raum ist für große Vorlesungen sowie für kleinere Gesprächsrunden geeignet. Das Endergebnis des Projektes, stellt anschaulich die Art und Weise, wie Hörbehinderte wohnen, dar. Auch außerhalb der Gallaudet Universität wurden Gebäude errichtet, die DeafSpace-Elemente enthalten.

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gelderhorst.nl

Haus de Gelderhorst in Holland

1997 wurde der speziell an die Bedürfnisse Hörbehinderter angepasste Gebäudekomplex gebaut. Im Innern des Gebäudes befindet sich ein gläserner Fahrstuhl. Der Fahrgast soll damit in der Erweiterung seiner sensorischen Reichweite auf 360 Grad unterstützt werden. Ein Lichtblitz kündigt die Öffnung der Aufzugstüren an. Das Haupthaus fasst 64 Apartments für Hörbehinderte, die tägliche Pflege benötigen. Das Gemeinschaftsgefühl wird gestärkt durch die Möglichkeit jedes Bewohners seinen Nachbarn von seiner Wohnung aus zu sehen und sich am Geländer mit den Bewohnern aus den anderen Etagen visuell unterhalten zu können.

Das Zentrum ist der Treffpunkt aller Bewohner für unterschiedliche Aktivitäten wie z. B. Billard, Gesellschaftsspiele und gesellige Gesprächsrunden. Insgesamt sind 180 gebärdensprachkompetente Mitarbeiter im «Haus de Gelderhorst» beschäftigt. Demenzkranke werden im «De Horizon» speziell versorgt. Das am Haus de Gelderhorst angrenzende Wohn-Care-Center umfasst 80 unabhängige Apartments für hörbehinderte Menschen ab einem Alter von 55 Jahren. Diese noch dynamischen Senioren können je nach Wunsch personelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Durch die architektonisch angepasste Gestaltung und qualitative Betreuung fühlen sich die Bewohner heimisch und genießen ihre Zeit im Beisammensein.

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Stiftung Schloss Turbenthal

Gehörlosendorf in der Schweiz

Die Bewohner des Gehörlosendorfes in Turbenthal erhalten Unterstützung bei der Gestaltung ihres Wohn- und Lebensraums. Der Wohnraum nimmt auf die individuellen Bedürfnisse der hörbehinderten Menschen Rücksicht.

Angeboten werden verschiedene Wohnformen welche mit ebenso verschiedenen personellen Begleitungsformen einhergehen. Zur Unterhaltung werden den Bewohnern verschiedene Freizeitangebote zur Verfügung gestellt. Zusätzlich finden Veranstaltungen von externen Partnern im Dorf statt. Ein Gemeinschaftsraum ausgestattet mit großen Fenstern vom Boden bis zur Decke, gibt die Sicht und die Chance auf eine visuelle Kommunikation nach außen, frei.

Zudem sind die Tische rund und darauf ausgelegt die Bewohner des Dorfes auf eine visuelle Gesprächsrunde einzuladen. Bewohner, die ihren Lebensraum im Gehörlosendorf gefunden haben, erhalten Betreuung und Begleitung im Alltag. Bei einem vorhandenen Pflegebedarf, erfolgt die medizinisch pflegerische Versorgung im Rahmen der ambulanten oder stationären Krankenpflege und der Betreuung im Pflegebereich. Die Leistungen werden bei AHV – Rentnern auf Basis der KVG verrechnet.

Literaturverzeichnis:

Murray, Joseph; Hansel Baumann (2014): Deaf Gain: Raising the Stakes for Human Diversity, Minneapolis 2014.
Barnes, Maggie (2015): Why Designing Architecturally for the Deaf ist he Best Thing Hearing People Could Do for Themselves, www.interesting12.com
Ruhe, Carsten (2015): Akustische Anforderungen an das Barrierefreie Bauen – Die sensorisch barrierefreie Weltformel, www.nullbarriere.de
Clerici, Angelo; Manser, Joe (2014): Hörbehindertengerechtes Bauen, 1. Auflage, Zürich 2014.

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