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Besser verstehen mit dem großen «T»

Induktive Höranlagen sind die versteckten Helfer für Hörgeräte- und CI-Träger in öffentlichen Räumen. Europaweit müssen sich mehr als 80 Millionen Menschen mit ihrer Hörbehinderung auseinandersetzen.

Trotz einer Gesellschaft, die sich als aufgeschlossen und offen versteht, sind Hörbehinderung und die Finanzierung von unterstützenden Maßnahmen oftmals ein Randthema für Politik und zuständige Behördenstellen. Als Hörgeräteträger und damit Betroffener nutze ich oft die technischen Möglichkeiten, welche mir die Kommunikation und das Verstehen von Sprache erleichtern.

Dieser Beitrag macht sich stark für induktive Höranlagen und stützt sich in vielen Aussagen auf das Buch von Pfarrer Siegfried Karg, Winterthur.

«Wer Ohren hat, der würde gerne hören» Fromm-Verlag 2014

Dort aufgestellte Thesen und viele Textpassagen zum Thema Höranlagen können meiner Meinung nach nicht besser zusammenfassend dargestellt werden.

In großen Räumen wie Kirchen, Sälen von Theatern und Konzerthäusern, Hörsälen, überall dort, wo ein großer Abstand zwischen Schallquelle und Ohr des Hörers besteht, kommen auch die neuesten digitalen Hörsysteme an ihre Grenzen. Lautsprecheranlagen schaffen nur bedingt Abhilfe, blenden sie doch Hintergrundgeräusche und Nachhall nicht aus. Das können auch Hörgeräte und Cochlear-Implantate nur unzureichend. Auch leisten deren Mikrofone nur bis zu einem Abstand von ca. 3m das, was die Hörgeräteindustrie auf Hochglanzprospekten verspricht: überall und in jeder Situation klar und deutlich alles zu verstehen.

Seit der Einführung der digitalen Hörgeräte und funkbasierenden Hörhilfsmitteln sind induktive Höranlagen darum nur noch ein Mittel der Wahl. Überhaupt seien im digitalen Zeitalter – so hört man hin und wieder- weder induktive Höranlagen noch T-Spulen in den Hörgeräten notwendig.

Was aber spricht nun für die Technologie mit dem Schleifendraht?

Die drahtlose Technik Bluetooth wirkt nur auf kurze Distanzen und benötigt relativ viel Energie. Letzteres ist ein «no go» für die Bluetooth-Technologie in Hörgeräten mit den winzigen Batterien. Ein weiteres Argument gegen König Blauzahn ist die Zeitverzögerung beim Verbindungsaufbau. Sie führt dazu, dass die Lippenbewegungen des Sprechers nicht synchron sind mit dem, was akustisch im Hörgerät ankommt. Das ist ein Horrorszenario für Personen, welche Hören und Lippenlesen kombinieren müssen, um zu verstehen. Hier kann die induktive Technologie punkten. Insbesondere in großen Räumen und solchen mit Nachhall. Sie kann Hörbehinderten zu einem guten Sprachverstehen oder zu einem wunderbaren Klangerlebnis verhelfen, unter Ausblendung der störender Geräusche.

Auch es der Anlagentyp aus dem Trio Infrarot-IR, Induktion –T, Funkmodulation–FM, bei dem der Hörbehinderte kein Zusatzgerät tragen muss, um eine vergleichbare Hörverbesserung zu erreichen. Der Hörbehinderte muss nichts mitbringen oder vor Ort ausleihen. Bei Räumen mit induktiver Höranlage setzt sich die Person mit Hörbehinderung auf einen Platz und schaltet ihr Hörgerät auf «T». Einfach genial.

Und doch tun sich die Hörbehinderten schwer mit dieser Technologie. Oftmals wissen sie nicht, ob ihr Hörgerät oder CI mit einer T(elefon)- Spule bestückt ist. Und wenn, fordern sie beim Anpassen von Hörgeräten vielleicht nicht deren Aktivierung an. Diese zwei Dinge sind jedoch Voraussetzung, dass die induktiven Höranlagen wirklich Nutzen bringend in öffentlichen Räumen für den Anwender sind.

Gleichstellungsgesetze, Richtlinien für behindertengerechtes Bauen und die 2006 angepasste Norm IEC 60118:4 wecken nach und nach alte induktive Höranlagen aus ihrem Dornröschenschlaf, sorgen für zahlreiche neue Anlagen in öffentlichen Gebäuden. Die Vorteile der Technologie, einschließlich relativ geringer Kosten, müssen aber noch verstärkt propagiert werden. Da können die Betroffenen selbst einen grossen Beitrag leisten, indem sie auf den persönlichen Nutzen gegenüber Behörden und Betreibern von Akustikanlagen hinweisen. Im Bunde mit Architekten, Baufachleuten, Akustikspezialisten und zertifizierten Messtechnikern kann es mit gemeinsamer Anstrengung gelingen, einerseits neue Höranlagen der Norm folgend zu planen und zu installieren, anderseits vorhandene zu prüfen und zu optimieren. Die Computersimulation setzt dabei neue Maßstäbe. Es folgen eine umfassende Messung nach der Installation, die Abnahme der Anlage und die Erstellung einer aussagekräftigen Dokumentation. Nicht zu vergessen: der Raum bzw. die ausgewählten Plätze mit induktivem Empfang sind mit dem internationalen Symbol (Bild) zu kennzeichnen.

Die Bauherrschaft bzw. der Höranlageneigentümer erhält die genannten Unterlagen. Zusammen mit den technischen Daten sollten dann weitere Daten wie Adresse, Art und Status der Anlage an ein Höranlagenverzeichnis gemeldet werden. Die Höranlagenverzeichnisse existieren entweder national (www.hoeranlagenverzeichnis.ch) oder
regional, zusammengefasst unter www.schwerhoerigen-netz.de.

Induktive Höranlagen zu installieren ist auch eines der Hauptziele des Europäischen Schwerhörigenverbandes (EFHOH, www.efhoh.org). Diese Organisation hat 2009 zusammen mit pro audito Winterthur die erste internationale Konferenz für induktive Höranlagen organisiert. Folgekonferenzen gab es 2011 und 2013. Die Konferenzen setzten jeweils neue Ziele weltweit und wecken sowohl bei Guthörenden als auch Hörbehinderten ein wachsendes Bewusstsein für den Einsatz induktiver Höranlagen. Dr. Ruth Warrick , die Präsidentin des internationalen Schwerhörigenverbandes (IFHOH, www.ifhoh.org), sagte in ihrem Schlusswort auf der Konferenz 2011 im Kennedy Center in Washington bereits:
«Ich denke, die Zukunft sieht gut aus, Telefonspulen und induktive Höranlagen schienen der Vergangenheit anzugehören, und nun sind sie die Zukunft».

Das gilt in erster Linie für das Verstehen von Sprache. Aber auch Musikgenuss ist mit induktiven Höranlagen durchaus eine Option. Der Komponist und Tontechniker Richard Einhorn, der 2010 sein Gehör fast vollständig verlor, muss es wissen. Er war als Kongressteilnehmer 2011 in Washington dabei und von der im berühmten Kennedy Center (Opernhaus) temporären Höranlage so fasziniert, dass er die Leitung des Opernhauses nach Beendigung des Kongresses in einem Brief bat, eine definitive Höranlageninstallation in Erwägung zu ziehen. Dies nicht nur des Klanges wegen, sondern auch, weil die Technologie eben einfach zu benutzen ist, nämlich ohne fremde Hilfe und ohne Stigmatisierung. Die induktive Technologie trägt stark zur Inklusion von Hörbehinderten bei.

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