Technik

Im Gespräch: Tobias Burz & Nicole Weißkopf

Am 21. und 22. Oktober 2016 findet die 3. DeafIT Konferenz in Hamburg statt. DeafIT-Mitgründer Tobias Burz und Mitwirkerin Nicole Weißkopf sprechen über die Gründung der DeafIT Konferenz sowie die anstehende Konferenz in Hamburg.

Du bist einer der Gründer der DeafIT Konferenz. Wie ist die DeafIT Konferenz entstanden?

Tobias Burz: Ich hatte mich mit Vincent Rothländer zusammen getroffen und über unsere Berufstätigkeiten unterhalten. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir wenige hörbehinderte IT-Fachleute in Deutschland kennen. Somit setzten wir uns das Ziel, möglichst viele davon kennenzulernen und mit diesen Leuten berufliche Erfahrungen auszutauschen. Von daher haben wir vor vier Jahren, 2012 die Idee zur Gründung der DeafIT Konferenz initiiert.

Was hat dich dazu bewegt, dich auch für die DeafIT zu engagieren?

Nicole Weißkopf: Vincent Rothländer ist ein guter Freund von mir, mit ihm tausche ich schon sehr lange unsere beruflichen Erfahrungen aus. Bei einem unserer Treffen hat er mir von der Idee mit Tobias erzählt. Ich war sehr begeistert von der Idee. Ich bin zwar keine Programmiererin noch arbeite im technischen Bereich. Jedoch ist mein Beruf in der Informationsbranche ansässig. IT heißt ja schließlich Information & Technologie, hier sind auch Medienberufe wie Webdesign, Grafiker, Community Management, usw. auch gefragt. Ich bin der Einladung des ersten Ideenvorstellungstreffens gefolgt und habe mich dann entschlossen, die Konferenz mit zu organisieren. Ich sehe hier großes Potenzial, das ich gerne unterstützen möchte. So bin ich schließlich im DeafIT-Team gelandet.

Welchen Grundgedanken verfolgt das sechsköpfige Team der DeafIT?

Tobias: Wir wollen alle gehörlose, schwerhörige, ertaubte IT-Fachleute zu unserer alljährlichen Konferenz zusammentrommeln und demnächst auch IT-Neulinge, die eine Perspektive in der IT-Branche suchen, mit einbinden. Und last but not least, wollen wir unsere Kontakte mit den IT Unternehmen knüpfen und Partnerschaften aufbauen und vertiefen.

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privat/zVg

Aus welchen grundlegenden Komponenten setzt sich die DeafIT Konferenz zusammen?

Tobias: Die Basis unserer DeafIT Konferenz ist der Erfahrungsaustausch und das Kennenlernen von IT-Fachleuten untereinander, die Ideenentwicklung für mögliche gemeinsame Projekte und die Berufsfindung im IT-Bereich für Schüler und Absolventen.

Wie finanziert sich die DeafIT Konferenz? Welche Partner unterstützten die Konferenz bisher?

Nicole: Die DeafIT Konferenz ist eine Non-Profit Konferenz und finanziert sich ausschließlich durch Eintrittsgeldern und Sponsoren, sowie mit Kooperationen und der diesjährigen Medienpartnerschaft mit hearZONE. Seit den letzten zwei Jahren haben uns Tess & TeleSign, Phonak, VerbaVoice und CHIP mit unterschiedlichen Sponsormitteln unterstützt. Dieses Jahr konnten wir weitere verschiedene Sponsoren gewinnen, wie gutefrage.net, Institut PI Berlin, Starkey und viele mehr. Auch aus Hamburg unterstützen uns einige Firmen. Nicht zu vergessen ist der Gehörlosenverband München und Umland (GMU) als unser Dachverband und Förderer, bei dem wir als selbstständige Organisation aufgenommen wurden. Dank ihnen können wir als Non-Profit Organisation überhaupt die DeafIT Konferenz aufbauen.

Die DeafIT bietet eine Plattform für hörende und hörbehinderte IT-Geeks. Wer waren bisher eure einprägsamsten Referenten?

Nicole: In erster Linie richtet sich die DeafIT ausschließlich an hörbehinderte IT-Leute. Hörende sind natürlich immer herzlich willkommen, jedoch liegt der Fokus bei den hörbehinderten IT-Leuten. Geeks? Nerds? Das sind eher Menschen, die freaky und verrückt sind nach den neuesten Computer-Techniken. Das sind wir DeafIT’ler ja nicht wirklich. Wir sind Menschen, die einen Beruf in der IT-Branche ausüben.

Ich konnte leider wegen der bisherigen Konferenz-Organisation im Hintergrund nicht alle Vorträge verfolgen. Für die anderen DeafIT Teammitglieder waren die Vorträge zu diversen Programmiersprachen sicherlich am interessantesten. Da ich in der Mediennbranche arbeite und auch viel mit Usability zu tun habe, war mir der letztjährige Vortrag von Jo Spelbrink über User Experience (UX) als digitales Wellenreiten, noch stark in Erinnerung geblieben. Ein barrierefreies Internet ist für uns alle wichtig. Der Vortrag von Irmhild Rogalla über die neue Industrie 4.0 war auch sehr einprägsam. Das wird die Zukunft sicherlich sehr stark beeinflussen.

Wie beurteilst du die bisherigen Konferenzen in München (2014) und Nürnberg (2015)? Gab es eine wachsende Resonanz?

Nicole: Ich bin ehrlich gesagt sehr überrascht und begeistert, wie groß das Interesse und der Bedarf an den DeafIT Konferenzen ist. Wir stecken zwar noch in den Kinderschuhen, jedoch konnten wir von der ersten Konferenz an eine Steigerung der Teilnehmerzahlen und Sponsoren verzeichnen. Auch die Resonanz ist sehr positiv. Der Wunsch von vielen Teilnehmern ist es, die Konferenz weiterhin durchzuführen. Ich denke, die DeafIT Konferenz kann sich zu einer festen Größe etablieren und wir ziehen mittlerweile auch die Aufmerksamkeit vieler größeren Firmen auf uns.

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privat / zVg

Am 21. bis 22. Oktober 2016 findet in Hamburg die 3. DeafIT Konferenz statt. Was erwartet uns an dieser Konferenz?

Nicole: Die Teilnehmer werden eine gute Mischung an Vorträgen von Programmiersprache über Interface Design und Microservice über Industrie 4.0 aus verschiedenen Bereichen der IT-Branche bekommen. Ebenso haben sie die Möglichkeit, sich vor Ort mit einigen Sponsoren aus der IT-Branche auszutauschen. Als eine Neuigkeit wird eine Podiumsdiskussion im Anschluss eines Vortrages geben zum Thema «Berufliche Perspektiven und Herausforderung in der IT- und Medienbranche, speziell für Hörgeschädigte».

Warum ist der Austausch unter den hörbehinderten IT-Leute so wichtig?

Tobias: Es gibt sehr viele IT-Fachleute, die voneinander nicht wissen, dass es auch andere Gleichgesinnte mit vielen IT-Fähigkeiten existieren. Durch den Austausch kann das gemeinsame Netzwerk intensiviert und demnächst auch über die Landesgrenzen hinaus erweitert werden. Die hörbehinderten IT-Leute können von dem Austausch stark profitieren und dies in ihren Berufstätigkeiten mit einbringen, oder neue Ideen entwickeln. Von daher haben wir unser Motto verinnerlicht: «Focus on excellent Network».

Was ist für dich persönlich am IT-Bereich so spannend?

Tobias: Der IT-Bereich ist vielfältig, nahezu unendlich! Es gibt im Alltag nichts, was nicht aus dem IT-Bereich kommt. Beispielsweise werden im öffentlichen Verkehrsmittel digitale Informationstafeln aufgestellt, die Informationen für die Passagiere liefern; Kühlschränke denken digital mit, wenn z.B. ein Tiefkühlfach zu viel Eis angesetzt hat und aufgetaut werden muss. Oder in dein Büro kommst du nur mit deinem Ausweis oder in Sicherheitsräumen mit Irisscanner rein.

Es gibt im IT-Bereich so viele Möglichkeiten für neue Entwicklungen, wie z.B. einen Rauchmelder für Hörbehinderte, die bei Feuerausbruch ein Signal an das Handy überträgt und es zum Vibrieren bringt, oder die visuelle Umwandlung der Gebärdensprache in Lautsprache, sodass die Kommunikationsbarriere zwischen den Hörbehinderten und den hörende Gesprächspartnern abgebaut werden kann.

Und für dich Nicole?

Nicole: Ich bin eine sogenannte «Quereinsteigerin» in der digitalen Medien-Branche. In den 10 Jahren in der digitalen Welt habe ich schnelllebige Entwicklungen und Veränderungen miterlebt. Ich finde es sehr spannend, dass ständig Neues auf den digitalen Markt kommt, sich das Nutzerverhalten und das Interesse der Webgemeinde von Jahr zu Jahr oder sogar von Tag zu Tag verändert und sich erneuert. Es ist so vielfältig und wird einfach nicht langweilig. Ich bin ständig am Lernen und weiterentwickeln. Das finde ich toll und faszinierend.

Wie sieht die technologische Zukunft in deinen Augen aus?

Nicole: Die technologische Zukunft ist unberechenbar und sehr spannend. Eben wegen der ständigen Innovationen und der Schnelllebigkeit. Speziell für uns Menschen mit Hörbehinderung sehe ich hier eine sehr große Chance und Zukunft auf dem Arbeitsmarkt. Es sind Berufe, wo man nicht viel verbal kommunizieren muss, da heutzutage alles digital stattfindet und sich die Technologie für Dolmetscher permanent weiter entwickelt. Ich habe zum Beispiel kein Telefon an meinem Arbeitsplatz und kann via E-Mail oder Skype mit meinen Kollegen und Kunden kommunizieren. Natürlich gibt es auch persönliche Gespräche & Meetings, die ich dann bei Bedarf mit Hilfsmitteln und Schriftdolmetschern durchführe.

Und für dich Tobias?

Tobias: Die technologische Zukunft hat ein enormes Entwicklungspotenzial! Die Computer werden immer kleiner und leistungsfähiger. Somit ergeben sich mehr Möglichkeiten, als wir uns vor 30 Jahren zu träumen wagten. Auf der anderen Seite birgt diese technologische Zukunft auch erhebliche Risiken, wie z.B. die immer raffiniertere Cyberkriminalität und Ausnutzung von Datenleaks. Von daher ist es für uns wichtig, die Technologie vernünftig, gewissenhaft und mit intensiveren Sicherheitsmethoden zu nutzen. Dies sehe ich als eine ständige Herausforderung für uns alle.

Möchtest du den LeserInnen noch etwas mitteilen?

Nicole: Kommt zur DeafIT Konferenz am 21./22. Oktober 2016 nach Hamburg und nutzt die Chance, eure Erfahrungen mit anderen auszutauschen und auch davon zu profitieren. Erweitert euren Horizont und vergrößert unser Netzwerk. Traut euch. Die Konferenz ist auch kommunikations-barrierefrei in der Gebärden-, der Schrift- und der Lautsprache. Ihr könnt nur gewinnen! Unser DeafIT-Team freut sich auf jeden von euch!

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