Technik

Andreas Muchow über HandHelp

Noch heute wird eine Notrufoption per Fax für Hörbehinderte bereitgestellt. Vom Staat gibt es nach wie vor keinen barrierefreien Notruf für Hörbehinderte. Andreas Muchow (49), Gründer von App-Sec-Network UG schließt diese Marktlücke mit HandHelp bzw. mit HandHelp – Life Care.

Der gelernte Industriemeister der Pharmazie, heute Existenzgründer und Unternehmensberater, hat schon in mehreren Branchen gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Nach seinem 6-jährigen Aufenthalt auf Mallorca als selbstständiger Unternehmer im Bereich der Gastronomie tüftelte er im Mai 2013 an einer Anwendung für den barrierefreien Notruf. «Ich habe mich mit Gewaltprävention und Zivilcourage beschäftigt und den Notruf 110 und 112 genauer analysiert. Ich musste feststellen, dass viele Menschen auf dieser Welt nicht fähig sind, einen telefonischen Notruf im Notfall abzusetzen», sagt Andreas Muchow. Er konnte die in Deutschland lebenden 80.000 Gehörlosen, 13. Millionen Schwerhörigen, 800.000 Sprachbeeinträchtigten, 10 Millionen Diabetiker, 35.000 Blinden und 6.000 Taubblinden nicht im Stich lassen. Nach Angabe von Muchow ist jeder 4. Mensch auf der Welt gesundheitlich beeinträchtigt.

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Am 14. Februar 2014 erschien HandHelp erstmals als Android-Version im Google Play Store, knapp ein Jahr später wurde eine iOS-Version im App Store veröffentlicht. 2016 wurde HandHelp – Life Care für einkommensschwache Länder / Menschen auf beiden Stores für nur 0,99 € / Jahresgebühr ins Leben gerufen. Beide Apps sind von ihm privatfinanziert.

Doch was genau kann HandHelp? Muchow demonstriert hearZONE die App. Bei der Erstbenutzung der App sind alle persönliche Angaben, Allergien, Krankheiten, Medikamente, Behinderungen, Sprachen – einfach alles, abzuspeichern. Skype, Facetime, Whatsappgruppen und E-Mail- oder Kontaktlisten werden erstellt, sodass bei einem Knopfdruck auf den Notruf innerhalb von zwei Sekunden alle eingerichteten Kontakte (ICE) informiert werden.

Zusätzlich sind noch einige Angaben wie z.B. Personenzahl und Art des Notrufs zu wählen. Während des Knopfdrucks macht die App automatisch mit der integrierten Smartphonekamera ein Foto und nimmt 15 Sekunden über das Mikrofon das Umfeld in eine Audiodatei vollautomatisch auf. Zusätzlich ortet die App das Smartphone über das Mobilfunknetz, wenn GPS nicht aktiviert ist. Die Ortung geht ebenfalls an die Notrufstellen.

Unterhalb von 45 Sekunden bekommen die Notrufstellen, also z.B. die Polizei oder Feuerwehr einen Notruf per Fax und/oder Email. In diesen Dokumenten sind persönliche Angaben, die bei der Erstbenutzung in die App eingespeichert wurden sowie Foto, Ortung und weitere wichtige Daten. «Die Notrufstellen brauchen so viele Informationen wie möglich. Nur so wissen sie, womit sie es zu tun haben», sagt Muchow sehr ernst. Die App kann noch viel mehr (Videotelefonie usw.) und ist zudem international verwendbar, ohne sich um die Notrufnummern zu scheren.

Der barrierefreie Notruf HandHelp ist also vielversprechend. Die App wurde bereits über 20.000 Mal heruntergeladen. «Wir wollen die App dem Staat verkaufen, damit das Volk einen barrierefreien Notruf und einen Mehrwert erhält», sagt Muchow. Weil die App noch immer privatfinanziert ist, wird eine Nutzungsgebühr erhoben. Man kann eine monatliche Gebühr von 2,00 Euro oder jährliche Gebühr in der Höhe von 19,90 Euro einrichten. 7 bis 30 Tage ist die App kostenlos zum Test nutzbar. Der Gründer versteht die Reaktion vieler NutzerInnen, dass sie einen kostenfreien Notruf wünschen. Aktuell nehmen 3.000 HandHelp-NutzerInnen ihr Leben ernst und bezahlen die Nutzungsgebühr. Die PolitikerInnen nehmen die Gefahrensituation bisher weniger ernst.

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So betreibt Andreas Muchow seit 2013 aktive politische Arbeit zum barrierefreien Notruf. Er erklärt den Politikern die Lage so: «Nehmen Sie Ohrstöpsel, tauchen sie in eine voll mit Wasser gefüllte Badewanne ein und stellen Sie sich vor, Sie haben einen Krampf. Jetzt setzten Sie Unterwasser einen Notruf ab. Erstens können Sie nichts hören und zweitens nicht kommunizieren.»

Auch der Deutsche Gehörlosen- und Schwerhörigenbund zeigt bisher noch kein Interesse. Deshalb lancierte Muchow in Zusammenarbeit mit Uwe Schönfeld und Steffen Helbing von ZfK e.V. das Projekt Hieron. Hieron ist die kostenlose Bereitstellung von HandHelp mit dem Zusatzservice, dass bei einem Notruf ein Gebärdensprachdolmetscher/in sofort zum in Not geratenen Betroffenen kommt und die Leidenswege den Rettungskräften erklärt. Dieser Service wird erstmals in Brandenburg angeboten.

Das Projekt Hieron wurde in über 193 Länder weltweit vorgestellt. 6 Länder arbeiten jetzt an der Umsetzung. Am 16. August 2016 kam Muchow auch in den Dialog mit der Feuerwehr Düsseldorf, die über eine Umsetzung für Ihre Stadt noch bis Ende Oktober nachdenken. In Würzburg und Ingolstadt läuft bereits ein Pilotprojekt. HandHelp wurde auch viermal im Bundestag in Berlin vorgestellt. Auch CDU-Behindertenbeauftragter Uwe Schummer erhielt von App-Sec-Network UG ein Angebot für eine bundesweite Umsetzung in Deutschland. Die App weckte auch beim Fraunhofer-Institut großes Interesse und bei vielen weiteren europäischen PolitikerInnen sowie politischen Institutionen. «Ich bin im täglichen E-Mail-Verkehr mit allen Interessenten», lacht Andreas Muchow. «Aufgrund des hohen Interesses gehe ich davon aus, dass die barrierefreie Notruf-App HandHelp auch ab 2017 in Deutschland und anderen Ländern umgesetzt wird.»

Noch dieses Jahr sollen zwei weitere nützliche Gadgets auf den Markt kommen. Muchow verrät es exklusiv der hearZONE. Das erste Gadget ist ein Knopf, dass man z.B. am Schlüsselbund tragen kann und via Bluetooth mit der App verbunden ist. Bei einem Notfall kann mit einem Knopfdruck sofort ein Notruf abgesetzt werden. Das zweite Gadget ist ein 24/7-Notruf Monitoring-Armband (wasserdicht), ebenfalls via Bluetooth verbunden und misst den Puls und die Herzfrequenz. Sobald eine Unregelmäßigkeit festzustellen ist oder ein Herzanfall vorliegt, wird automatisch ein Notruf über die App abgesetzt. Für die Produktion werden noch Sponsoren und Förderer gesucht.

Von allen aktuellen Lösungen an barrierefreien Notruflösungen hat HandHelp die Nase vorn. Andreas Muchow bleibt optimistisch und hofft auf eine baldige Umsetzung des kostenlosen barrierefreien Notrufs mit HandHelp oder HandHelp – Life Care.

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