Der 25-jährige Martin und ich trafen uns im Vapiano in der Innenstadt Essen. Der Charmeur sprach über sein Studium, das Tanzen und seine Lebensperspektive.
Der in Trier aufgewachsene Student ist vielseitig, klassisch orientiert und pflegt seine Kontakte am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg für Hörgeschädigte (RWB) in Essen mit seinen Freunden vom RWB. Martin ist fehlhörig und besuchte bis zum 10. Schuljahr die schwerhörigen- und gehörlosen Wilhelm-Hubert-Cüppers-Schule. Diese vereint Haupt und Realschule unter einem Dach. Aufgrund der kleinen Klassengrößen machte sich die Fehlhörigkeit nur minimal bemerkbar. Stand mal ein Klassenzimmerfenster auf Kipp, vernahm Martin von außen Geräusche, die ihn ablenkten. Da aber die Lehrer sehr auf die Kommunikation mit ihren Schülern achteten, verstand er die Zusammenhänge ohne größere Probleme. Im Jahr 2007 startete Martin seine Schulbildung am RWB-Essen und erlangte die Allgemeine Hochschulreife im erziehungswissenschaftlichen Bereich. «Am RWB habe ich meine Leidenschaft fürs Tanzen entdeckt», schwärmt Martin. Auch nach dem Abitur begeistert er sich dafür, jeden Donnerstag am RWB mit neuen und ehemaligen Schülern sein Tanzbein zu schwingen. Am RWB werden Gesellschaftstänze angeboten, Standard- und Lateinamerikanische Tanzarten.
Sein Studium in der Biologie und Chemie startete er nach dem Abitur an der Ruhruniversität in Bochum. Zwei Jahre später wechselte er sein Studienfach zur Katholischen Theologie und klassischen Philologie auf Lehramt. Die Philologie ist eine Sprach- und Literaturwissenschaft. Die Studenten aus diesem Fachbereich leisten wesentliche Beiträge zur Erforschung von Kultur und Geschichte. Die Forschungsschwerpunkte von Martin liegen u.a. in der Kultur und Geschichte der katholischen Theologie, in der Entwicklung und dem Fortbestand. des Religionsunterrichtes in Schulen und im Stellenwert des Glaubens in der Gesellschaft. Seinen Studienfachwechsel begründete er wie folgt: «Ich empfand das Auswendiglernen im naturwissenschaftlichen Bereich als Qual und entdeckte mein Interesse für Diskussionen im gesellschaftlichen Kontext, insbesondere über den Stellenwert des religiösen Glaubens und der damit verbundenen Kultur in unserer Neuzeit.»
Im Jahr 2017 wird Martin voraussichtlich den Bachelorgrad erlangen und das Masterstudium fortführen. «Nach dem Studium kann ich mir sehr gut vorstellen als Lehrer zu unterrichten. Möglicherweise am RWB», sagt er begeistert. Dazu möchte er noch ein paar Semester Sonderpädagogik studieren, um den Anforderungen des Berufskollegs zu entsprechen und die Möglichkeit zu haben, an vielen verschiedenen anderen Schulen für Menschen mit besonderem Förderbedarf zu unterrichten.
In seiner Freizeit, wenn es nicht ums Lernen und Tanzen geht, treibt Martin überaus gerne Sport, trifft sich mit Freunden, schaut sich Filme an und beschäftigt sich gern am Computer. «Wenn ich abschalten möchte, spiele ich Klavier», lächelt der Charmeur. Ein paar Songs sind auf YouTube. Crawling von Linkin Park ist ein wunderschönes Beispiel um einen Eindruck von seinen Klavierkünsten zu bekommen. Auch erkundet er gern deutsche Altstädte und beschäftigt sich mit deren Kultur. Nebenbei jobbt Martin als Nachhilfelehrer in Latein. Katholische und evangelische Religion befindet sich ebenso in seinem Repertoire. Carpe diem – Entspannt durch den Alltag ist Martins Credo.
«Mache aus dem Tag das, womit du dich auch selbst glücklich schätzen kannst. Wertschätzt, was ihr bereits in eurem Leben habt, eure Freunde und Familie und genießt den Moment. Denn erst durch Verlust wird oftmals klar, dass das bisherige im Leben bereits wertvoll war.»