Menschen

«Es ist, als ob man ihnen die Baumwurzeln absägen würde»

Marcus Willam ist Arbeitserzieher und bereits seit mehreren Jahrzehnten im Bereich Pflege tätig. Fünfzehn Jahre lang analysierte er die Situation der gehörlosen Senioren. Seine Erkenntnisse teilt er im Rahmen eines Vortrags mit, um wachzurütteln.

Nachdem eine Bekannte ihm folgende Botschaft übermittelte: «Die Zukunft, der Senioren sieht nicht gut aus», setzte sich Marcus Willam fünfzehn Jahre lang mit der gesellschaftlichen Entwicklung, ihren Auswirkungen und der Situation von gehörlosen Senioren in Pflege- und Alterszentren auseinander.

Einer seiner Feststellungen ist, dass es die Älteren sind, die das Ehrenamt pflegen und die Gehörlosenvereine am Leben erhalten. Geprägt vom autoritären Erziehungsstil unterstützen sie ihren Verein mit viel Herzblut. Durch ihre starke Bindung zum Verein, beobachtet Marcus verheerende Folgen, sobald ein Senior (Circa bis zum Jahrgang 1965) ins Altersheim versetzt wird. «Es ist, als ob man ihnen die Baumwurzeln absägen würde. Sie sterben nach 1 bis 2 Monaten», erklärt Marcus.

Rausgerissen aus ihrem gewohnten Umfeld haben sie ein grosses Bedürfnis nach Verständnis und Zuwendung. Erst durch eine barrierefreie Kommunikation steigt die Zufriedenheit und gleichzeitig auch die Lebensqualität der Bewohner. «Die Pflegenden können nur Alltagsgebärden, wie zum Beispiel Zähne putzen, zu Bett gehen, essen, aber was ist mit der Unterhaltung über Gott und die Welt? Sie existiert nicht», so Marcus. Um einen Vergleich zu ziehen, verweist der Referent auf die Situation im Alters- und Pflegeheim «De Gelderhorst» in Holland, wo jeder Pflegende die Gebärdensprache beherrscht und die Gehörlosen sich angenommen fühlen.

Mit seinem Vortrag möchte er «wachrütteln» und Menschen mit einer Hörbehinderung dazu bewegen jetzt etwas zu tun, um für ihr Alter vorzusorgen, indem sie die Vereinsarbeit unterstützen, sodass sie und nicht erst die nächsten Generationen einen angenehmen Lebensabend erleben dürfen. Der Referent umreisst dabei die Bedeutung des Vereins. «Ist der Verein gesund, entstehen neue Kontakte zu wichtigen Praxispartnern, wodurch Überlegungen getroffen werden können, wie das Wohnen im Alter zukünftig bedürfnisgerecht ausgestaltet werden kann», erklärt Marcus.

Professorin Daniela Händler-Schuster vom Institut Pflege der ZHAW verfolgte gespannt das Referat von Marcus Willam. Sie fühlte sich unter den Gehörlosen, welche alle in Gebärdensprache kommunizierten, verloren. Dadurch verstand sie, dass es eine grosse Bedeutung hat, barrierefrei kommunizieren zu können. «In der Pflegebildung ist das Thema noch zu wenig verankert», erklärt Daniela. Der erste Schritt ist für sie, nun ganz aktiv mit Sonos, dem Schweizerischen Hörbehindertenverband zusammenzuarbeiten, um die barrierefreie Kommunikation zwischen Pflegenden und Menschen mit einer Hörbehinderung zu unterstützen.

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Sonos Schweizerischer Hörbehindertenverband
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