Kolumne

Der Streit um Gebärden

Der Sozialarbeiter (52, hörend) ist Inhaber des Verlags Fingershop. Patrick Lautenschlager ist unter anderem Präsident des Gehörlosen-Fürsorge-Vereins der Region Basel und des Vereins zur Förderung der Gebärdensprache bei Kindern und Herausgeber des Kindermagazins «ausgefuchst». Eine Kolumne.

Ein Kunde unseres Fingershops meinte einmal, er liebe unsere Lernkarten für Gebärdensprache. Er könne dank ihnen mit seiner mehrfachbehinderten Tochter auf Ausflügen sehr gut kommunizieren. Aber immer, wenn sie ins Heim zurückgehe, gäbe es ein Geschimpfe, weil er die falschen Gebärden verwenden würde. Aber das sei ihm egal. Seine Tochter sei glücklich damit. Sowieso verstehe er nicht, warum dort nicht mit den Gebärden der Deutschschweizer Gebärdensprache gearbeitet würde und stattdessen abgewandelte Gebärden benutzt würden.

Andere Kunden meinen, es liege daran, dass die Gebärden der Gehörlosen motorisch schwierig zu lernen seien. Aber es gibt Institutionen im Behindertenwesen, welche die Gebärdensprache anwenden und begeistert sind. An Messen passiert es immer wieder. Eltern und Betreuer von mehrfachbehinderten Menschen, ja sogar Betroffene schauen unsere Bücher an und sind erstmal begeistert. Aber dann kommt der Frust: Sind es die richtigen Gebärden oder sind es – für sie – die falschen, nämlich die von den Gehörlosen?

Im schönen Film «Das Gehörlosendorf» von Dieter Gränicher sieht man, wie sich nicht nur hörbehinderte, sondern auch mehrfachbehinderte Menschen im Gehörlosendorf Turbenthal in der Gebärdensprache austauschen. Ich stelle mir die Frage: Warum muss eine Sprache angepasst werden, wenn sie bereits funktioniert? Es könnten alle gewinnen: Kommunikation statt Abgrenzung.

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