Hand aufs Herz - jeder von uns hat doch sicher seine Hörbehinderung einmal als Ausrede für irgendetwas benutzt, worauf er keine Lust hatte, oder was er absolut nicht machen wollte - oder noch besser, vergessen hatte.
Beispiel: als ich noch zu Hause wohnte und meine Mutter von irgendwo brüllte, ich solle die Treppen runter gehen und die Tür öffnen, es habe geklingelt, da habe ich die Aufforderung irgendwann nur noch ignoriert. Weil ich immer runter musste! Ich war der persönliche Butler, der die Tür öffnete, um ihre Gäste hereinzulassen. Dann während der Pubertät rief ich mutig: «Habe ich nicht gehört», oder «Geh selbst runter!»
Die Ausrede: «Habe ich nicht gehört», funktioniert bei Hörenden noch besser, die keine Erfahrung mit Hörbehinderten haben. Genauso, wie: «Kann ich nicht machen, weil ich es nicht höre.» Manchmal, in der Uni zum Beispiel, könnte man schon, aber der Aufwand ist so enorm, dass man gern eine Alternative hätte.
Eigentlich sollten wir die Behinderung ja nicht ausnutzen, aber seien wir ehrlich, manchmal ist es zu verlockend. Besonders, wenn es uns die Möglichkeit gibt daraus für uns Profit zu schlagen. Damit meine ich jetzt nicht große Wirtschaftsverbrechen. Sondern eher den kleinen Luxus einfach das Leben etwas angenehmer oder leichter zu machen. Die goldene Regel? «Lass dich nicht erwischen!»
Und das ist manchmal leichter gesagt, als getan. Denn wenn man auf frischer Tat ertappt wird, dann wird es nur eins, nämlich richtig, richtig peinlich. Die Gefahr ist gering, doch weiß man bei manchen Hörenden nie (besonders, wenn man sie nicht kennt), ob sie rein zufällig hörbehinderte Verwandtschaft haben.
Denn die Masche «Habe ich nicht gehört» kann ich zu Hause nicht mehr bringen. Meine Mutter weiß ganz genau, wann ich etwas höre und wann ich es nicht hören will.
Aber ganz unter uns: Ich denke jeder Mensch, der in irgendeiner Weise eine Benachteiligung hat, nutzt diesen Nachteil auch manchmal aus. Die Versuchung ist einfach zu groß. Manche nennen es auch die Mitleidskarte, wenn man die Dinge jetzt eiskalt bei Namen nennen will. Ich bin ehrlich, ich finde das bis zu einem gewissen Grad in Ordnung.
Oft geht es dabei nur um Kleinigkeiten. Also um nichts, wodurch der Hörende allzu lange aufgehalten wird, oder für ihn bzw. andere ein großer Nachteil entsteht. Da kann Karma sicher ein Auge zudrücken. Zumindest hoffe ich das, denn wir alle wissen, Karma ist eine Bitch.