Er lernte die ÖGS und widmete sich dem Filmemachen. Christoph Kopal produzierte den ersten Film in Österreichischer Gebärdensprache. Ein Porträt.
Mit 16 Jahren entdeckt Christoph Kopal die Österreichische Gebärdensprache und wird fast zeitgleich auf ein erhebliches Defizit aufmerksam: Spielfilme in ÖGS. Es beginnt die Reise eines Mannes mit einem großen Ziel. Im Gespräch erzählt Christoph über seinen Werdegang und seinen großen Wunsch – sich ganz der Etablierung und Förderung von Filmen zu widmen, die nicht den gebärdensprachigen Menschen und seine Lebenssituation, seine Konflikte und Barrieren in den Mittelpunkt stellen, sondern einfach ’nur‘ gebärdensprachig sind. Als Pendant zum Film in Lautsprache.
Chris trat – wie so viele – trotz angeborener Hörbeeinträchtigung erst in der Adoleszenz in Kontakt mit anderen Hörbehinderten und folglich mit der ÖGS. «Ich bin nicht auf alleine auf der Welt», beschreibt der gebürtige Wiener rückblickend diese Erfahrung und das Kennenlernen seines besten Freundes mit 16 Jahren beim Antritt seiner Ausbildung an der Fachschule für Maschinenbau und Fertigungstechnik. Dieser Freund war es auch, der Chris nicht nur in ÖGS unterrichtete, sondern ihn – wie man so schön sagt – «in seine Welt entführte». So baute Chris nach und nach und unter gleichzeitigem Verlust hörender Freunde sein gebärdensprachiges Umfeld aus und fing an, sich ehrenamtlich zu engagieren. Er arbeitete in den folgenden Jahren (2010-2013) fast zeitgleich in ähnlicher Position bei der ÖGLB Jugend Kommission und bei WITAF Jugend. Zu seinen Aufgabenfeldern gehörte neben der Organisation und der Begleitung von Veranstaltungen auch das Drehen von Informationsvideos. Obwohl er sich in beiden Jugendteams sehr wohl fühlte und positiv in Erinnerung behielt, führte mangelnde Wertschätzung von Seiten des ÖGLB schließlich zu seinem Austritt und auch kurze Zeit später beendete Chris seine Tätigkeit im WITAF, wobei dies nicht nur auf zeitliche Engpässe aufgrund seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Facharbeiter begründet lag. Er wolle sich in Zukunft eben mehr seinem eigentlichen Ziel, dem Filmdrehen widmen.
2009 machte Chris mit einem Freund ein Wochenend-Trip nach Graz. Man begann über das Thema von Gebärdensprachfilmen zu plaudern, bzw. über das Nicht-Vorhandensein auf Österreichischen Leinwänden. Warum also nicht selbst einen Film drehen – aus der Not wächst ja bekanntlich die Tugend. Eine Woche nach diesem impulsgebenden Treffen wurde ein Drehbuch geschrieben. Der Inhalt? Ein Pokerkrimi.
Obwohl die beiden Freunde über keinerlei Erfahrung im Bereich des Filmen verfügten, war der erste Spielfilm in ÖGS nach 1 1/2 Jahren im Kasten und ‚präsentierfähig‘. Eine ziemliche Leistung, wenn man bedenkt, dass nicht nur alle mitwirkenden Personen ehrenamtlich arbeiteten, sondern zudem auch die Leitung von zwei ‚Amateuren‘ übernommen wurde. Und gerade deswegen muss «Blutiges Geld» als Meilenstein bezeichnet werden, nicht nur was das Sichtbarmachen der ÖGS in der Öffentlichkeit betrifft, sondern als Motivation zum Weitermachen. Kurze Zeit nach Abschluss des Filmprojekts machten.
Die beiden Freunde machten mit einem eigenen Youtubekanal (CR Produktion) weiter auf sich aufmerksam und unterhielten die Österreichische Gebärdensprachgemeinschaft mit ihren Videos. Schon zu dieser Zeit kristallisierte sich eine kleine Fangemeinschaft rund um den Kanal und die gebärdensprachige Berichterstattung heraus. Ein weiteres Jahr verging, als schließlich mit der Feststellung «Du brauchst eine eigene Präsenz» der Startschuss für eine Website fiel. Nach einem halben Jahr Funkstille, in dem Chris damaliger Partner Raphael die Webseite konfigurierte, erwachte www.2handsworld.com im Jahr 2013 schließlich zum Leben.
«Eine Sprache mit Händen» sei die Idee hinter der Namensgebung gewesen. Keine Fokussierung auf eine Personengruppe, sondern allein die Gebärdensprache als Konstitution. So thematisieren die Videos auch keine (sprachen) politischen oder damit verbundene Konfliktsituationen. Die Ausrichtung von 2handsworld ist ganz dem Unterhaltungswert verschrieben: Berichte, ‚Spaßvideos‘ und Neuigkeiten werden hier veröffentlicht. Obwohl seine Internetpräsenz gut läuft und auch viel Lob erntet: die Motivation für neue Filmprojekte blieb allgegenwärtig. Doch Personenmangel und fehlende ehrenamtliche Bereitschaft verhindern weitere Realisierungen – bis Großartiges passierte. Im Winter 2013 berichtet Chris von einem Putschtreffen im WITAF und stößt auf eine selbsternannten «Busenfreundinnen»-Gruppe von 6 Frauen. Vorweihnachtliche Stimmung, Punsch, … warum denn nicht einen «Weiberplauschfilm» drehen? «Nein Danke». Ein Treffen zum Besprechen wird dennoch ausgemacht und die Intention eines etwaigen Filmprojekts besprochen: brutaler Freundinnenfilm mit Blut in der Nebenrolle. So in etwa der Fahrplan. Sofortige Zusage von Seiten der motivierten Schauspielerinnen. Nach 1 Monat ist das Drehbuch fertiggestellt.
In 5 Hauptrollen wird sich auf die mörderische Suche nach einer Soziopathin im eigenen Kreis begeben. Nach dem die Probephase nur 2 Wochen andauert, dreht das Filmteam rund 1 Jahr. Wie auch schon bei «Blutiges Geld» bezieht Chris die Crewmitglieder aus seinem gebärdensprachigen Freundeskreis: Frisör, ÖGS-Überprüfung, UT, Fotografie, Grafische Arbeit und Nachbearbeitung. Überall finden sich ehrenamtliche Gebärdensprachhände. Gemeinsam mit WITAF, wo die Premiere und anschließende Feier stattfinden, wird der Ticketverkauf organisiert. Wobei der Vorverkauf nur 2 Tage anhält. Restloser Ausverkauf.
Bei der Premiere steht Chris seinem Publikum dann mit einem ausführlichen Making-Of rund 2 Stunden Rede und Antwort, erntet überwiegend positives Feedback, viel Anerkennung. Und obwohl weitere Filmvorführungen in Wien und auch in anderen Bundesländern folgen, steht der Filmemacher wieder alleine da.
«Ich möchte meine Filmwelt erweitern und neue Gesichter aus Österreich zeigen», beteuert Chris und verrät, dass derzeit ein neues Filmprojekt in Arbeit ist. Auch eine Castingshow könne er sich gut vorstellen. Aber ohne Sponsoring zur Projektsicherung sei eine Umsetzung nicht möglich – Anträge auf Förderungen und Einreichungen seiner Filme bei unterschiedlichen Festivals blieben bisher ohne Erfolg. Auch sieht Chris selbst das wenige Interesse von Seiten der Gebärdensprachgemeinschaft als problematisch an. Ein Grund warum sich sein Fokus derzeit von der Gebärdensprachgemeinschaft zum hörenden ‚Filmbetrieb‘ verschoben hat.
Dieses Jahr arbeitet Chris für das Barrierefreie Kurzfilmfestival «dotdotdot» in Wien und stellt Informationsvideos in ÖGS bereit. Eine Aufgabe, die durch die angenehmen Arbeitsbedingungen und vor allem durch die an ÖGS interessierte und förderungswillige Projektleiterin motivationsfördernde Wirkung zeigt und Chris in seinem Vorhaben stärkt: Gebärdensprache im Medienbereich zu zeigen und die Situation des Filmpublikums umzukehren: nicht mehr den Untertitel für gebärdensprachige Menschen notwendig machen, sondern für lautsprachliche Personen. Auf welche Weise dieses Ziel erreicht werden kann, wird sich zeigen. So oder so wird die ÖGS der ausschlaggebende Faktor sein.