Kolumne

Vorträge mit Mundschutz

Irgendwie ist es ein Phänomen, welches nur bei Hörenden auftritt. Quatschen mit der Tafel. Woran es liegt, das kann wohl niemand so genau sagen, aber Fakt ist, ganz egal, um welche Alters/Sozialgruppe es sich handelt, wenn es um Vorträge geht, dann sind sie alle gleich.

Es beginnt schon in der Schule, wo ständig an die Wand geschaut wird, wo die Präsentation abgebildet ist und es zieht sich wie ein roter Faden bis zum Studium. Doch dort fällt es mir ganz extrem auf: Immer wieder wendet sich der Dozent seiner Präsentation zu.

Wieso zeigt man 100 Studierenden den Rücken, besonders bei einer Lesung, die er schon gefühlte zwanzig Mal gehalten hat? Geht dieses Wende-dich-Spielchen nur mir so auf dem Geist, oder auch Hörenden?

Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht alleine bin. Für viele meiner hörenden Mitstudierenden ist diese hektische Eigenart vor allem ein Zeichen: «Der Typ hat Schiss. Er ist nervös und unsicher, wahrscheinlich selbst nicht so ganz von dem überzeugt, was er da so von sich gibt.»

Ich wage zwar zu bezweifeln, dass ein Doktor Professor Oberlangweiler keinen Plan davon hat, was er eigentlich erzählt, aber sie haben zumindest in einem Recht: Dieses zur Wand und wieder zurück lässt tatsächlich den Anschein entstehen, dass dort jemand unsicher ist oder eben in seinem genialen Chaos im Hirn, keinen roten Faden hat. Da lobe ich doch diejenigen, die Karteikarten schreiben, oder ihre Präsentation einfach ausdrucken und dann bequem in den Händen haben.

Man baut sportlich nicht nur weniger Kalorien durch das Hin und Her ab, sondern wirkt nicht, wie kurz vor der Flucht vor den bösen, bösen Zuhörern.

Mal im Ernst, ich stelle mich doch nicht vor hundert Leuten hin und erzähle etwas, von dem ich keine Ahnung habe. Meistens haben die Leute, die vor mir ihre Zeit absitzen noch weniger Ahnung oder geschweige denn Lust, geistig voll auf der Höhe zu sein. Als Student kann ich die Unsicherheit bei dieser Art Folter total verstehen. Niemand will diesen Klugscheißer im Publikum sitzen haben, der plötzlich alles in Frage stellt.

Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit schon?

Richtig, minimal.

Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, wie ich, mit Ohren, die in Rente sind, weniger als die Hälfte mitkriegt, weil das Wechsel-dich-Spiel nervt?

Auch richtig, maximal.

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