Kolumne

Familienfeste und der akustische Müll zum Partypreis

Eigentlich glaubte ich, dass ich mich erst Weihnachten wieder in die Höhle des Löwen wagen muss. Falsch gedacht. Opa wird 80 und lädt das halbe Dorf in die Kneipe ein. Familienfest in Übergröße. Zwischen all den Tanten und Onkels, bei denen man überrascht ist, dass sie noch leben und all den: «Wie geht es dir, immer noch Single, noch am studieren, gut siehst du aus (oder nicht) - blablabla», sind solche Feste doch vor allem eines: Anstrengend.

Da werden dann fünfzig Leute in einen Saal gesperrt, brüllen sich an wegen überlauter Schlagermusik. Ich kann nach einer Stunde nur an eins denken. Nämlich: lass diesen Tag endlich vorbei sein. In der Regel verstehe ich kaum mein Gegenüber, geschweige denn meinen Tischnachbarn.

Also ehrlich: Nach einer Stunde habe ich meistens genug von dieser Art Zusammenkunft. Es werden rührselige Reden gehalten, die ich sowieso nie verstand und so lasse ich die Leute ohne mich lachen. Dann kommen Lieder, welche vorzugsweise im Chor gesungen werden, meistens noch disharmonisch. Unnötig zu sagen, dass ich den Liedtext akustisch nicht nachvollziehen kann.

Zum Glück hat irgendein weiser Wissenschaftler ja das Handy inklusive WLAN erfunden, so dass man unter dem Tisch zumindest die Anfangslangeweile auf WhatsApp vertreiben kann, indem man sämtliche Leute spamt, die man gefühlte Jahre nicht mehr angeschrieben hat.

Zwischen anstehen am Buffet, futtern, trinken und nervigen Verwandten ausweichen, flüchtet man immer wieder entweder A, aufs Klo, oder B, in die Raucherecke, da die Verstoßenen sich draußen aufhalten und ihre Population von Jahr zu Jahr schrumpft. Die freuen sich immer über Gesellschaft, auch über Nicht-Raucher die mit ihnen frierend im Wind stehen.

Wenn man die üblichen Geplänkel hinter sich hat, mit Verwandtschaft, oder Leuten, die man vorher noch nie gesehen hat, dann wird einem klar, dass man sich nicht unbedingt viel zu sagen hat. Leider schrumpft die Akkuladung des Handys auch in Rekordschnelle, weshalb der Wunsch, dieses Fest vorspulen zu können immer größer wird. Im Laufe der Jahre habe ich es aufgegeben am Tisch, mitten in diesem Tohuwabohu, irgendetwas mitzukriegen. Zumal die meisten Leute nach ein paar Bierchen und guten Schnäpschen auch anfangen fürchterlich zu nuscheln.

Lange Rede, kurzer Sinn – kurz bevor der Akku sagt: «Love you, goodbye», kommt die erlösende Nachricht. Die Fete neigt sich dem Ende zu, die ersten Gäste gehen und nach und nach sinkt der Lautstärkepegel. Abends bin ich so fertig, dass ein Triathlon nichts dagegen ist.

Für alle, die eine recht überschaubare Familie haben: Seid froh. Für alle, die einen ganzen Stall haben – es gibt kein Entkommen, keinen Ausweg und keine passende Ausrede. Große Familienfeste werden immer wieder kommen. Weihnachten, jeder runde Geburtstag, Hochzeiten und was Familien eben sonst alles so feiern.

Nehmt es sportlich. Oder zumindest sagt euch: Es kann nur schlimmer werden.

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