Salome Lienin hat als erste gehörlose Frau den eidgenössischen Fachausweis als Chefköchin erlangt. Bald übernimmt sie die Leitung einer Betriebsküche. Ihr Weg dorthin war nicht einfach, aber geprägt von Ausdauer und persönlichem Wachstum.
Als Salome Lienin ihre Lehrstelle als Buchbinderin nicht fand, wählte sie die zweite Option: Sie wurde Köchin – ein Entscheid aus der Not heraus, der sich als Glücksfall entpuppte. «Ich war einfach froh, überhaupt eine Lehrstelle zu finden», sagt sie heute rückblickend. Mittlerweile blickt sie auf rund 30 Jahre Berufserfahrung zurück und ist seit zehn Jahren im gleichen Betrieb tätig.
Im Jahr 2026 wird sie dort die Leitung der Küche übernehmen. Bereits jetzt arbeitet sie als stellvertretende Chefköchin, bestellt Lebensmittel, plant Menüs für Feiern und übernimmt Sitzungen in Vertretung. Mit der Pensionierung ihres Vorgesetzten wird sie dann offiziell in die Rolle der Küchenleitung wechseln inklusive Personalführung und Dienstplanung.
«Ich wollte es noch einmal wissen»
Dafür absolvierte Salome Lienin zuletzt die Weiterbildung zur Chefköchin mit eidgenössischem Fachausweis – eine Herausforderung, an der sie in jüngeren Jahren noch gescheitert war. «Damals war der Druck zu gross und ich hatte wenig Erfahrung mit Weiterbildungen. Heute bin ich besser vorbereitet und weiss, was mich erwartet.» Besonders hilfreich: Die Organisation der Dolmetschleistungen sei heute viel strukturierter. «Früher musste ich mich an viele verschiedene Ansprechpersonen wenden –heute gibt es eine feste Kontaktperson für alle Anliegen.»
Herausforderung in der Kommunikation
Die neue Rolle bringt nicht nur Verantwortung mit sich, sondern auch Herausforderungen in der Kommunikation. Zwar funktioniere die Zusammenarbeit mit dem Team gut, aber in stressigen Situationen sei kaum Zeit für Gebärden. «In der Pause bin ich oft eher für mich. Da fehlt manchmal der Austausch.» Auch spontane Telefonate seien nicht möglich. «Wenn eine Lieferung fehlt und rasch nachbestellt werden muss, brauche ich Unterstützung.» Dennoch: Salome Lienin hat Strategien gefunden. In stressigen Situationen kommunizieren die Mitarbeitenden mit Salome auf Schriftdeutsch sowie mit Mimik und Gestik – oder jemand hilft beim Übersetzen.
Freude am Kochen
Was ihr am Beruf besonders gefällt? «Ich mag es, wenn sich das Menü an die Saison anpasst: Spargel im Frühling, Salate im Sommer, Zöpfe im Winter. Diese Abwechslung in der Küche gefällt mir.» Besonders gern kocht sie Schmorgerichte oder Gemüse wie Fenchel. Und wenn es um das Lieblingsessen geht, muss sie nicht lange überlegen: «Wienerschnitzel mit Pommes!»
Ein persönlicher Erfolg
Ein besonderes Erlebnis war für sie ein Auftritt im Januar 2025: Sie organisierte ein gesamtes Abendessen zum 100-Jahr-Jubiläum der Firma – inklusive Menü, Ansprache mit Gebärdensprach-Verdolmetschung und Vorstellung regionaler Spezialitäten. «Das war mein bisher grösster Erfolg. Ich habe alles allein organisiert. Auch meine Eltern waren dabei.»
Weitermachen – auch für andere
Ob sie sich vorstellen könnte, mit anderen gehörlosen Köchen zu arbeiten? «Unbedingt! Leider gibt es viel zu wenige. Ich möchte anderen Mut machen, sich zu trauen, Fragen zu stellen und Neues zu lernen. Man darf nicht unterschätzen, wie viel man erreichen kann, wenn man unterstützt wird.» Ihr Weg zeigt: Mit Durchhaltewillen, Unterstützung und einer Prise Leidenschaft ist vieles möglich.
